Für Joseph Haydns Klaviertrio Nr. 39 G-Dur erklärt sich der Beiname «Zigeuner- trio» durch den berühmten Finalsatz, in den Haydn ungarische Tanzweisen eingearbei- tet hat. Was Haydn mitten im betriebsamen London dazu veranlasst haben mag, diesen Schlusssatz mit einer überbordenden Musik im Kontrast zu den anderen «vornehmen» Sätzen zu gestalten, bleibt sein schöpferisches Geheimnis und war wohl primär eine dramaturgischer Entscheidung. Der Erfolg diverser Melodien mit demselben volkstüm- lichen stilistischen Charakter in seinen Londoner Sinfonien dürfte ihn aber zusätzlich animiert haben. Wie auch immer: Das Londoner Publikum liebte dieses Trio, nannte den vorliegenden Schlusssatz «Rondo in the Gipsies’ Style», Haydn selbst übertitelte es mit «all’Ongarese». Der Komponist schöpfte dabei aus dem reichen Fundus musikalischer Weisen, mit denen er während seiner Jahrzehnte dauernden Anstellung als Hofkapell- meister des ungarischen Magnaten Esterházy in Berührung kam.
Das Klaviertrio Nr. 1 H-Dur Op. 8 von Johannes Brahms beginnt wohl mit einem der schönsten Themen der Literatur für Klaviertrio und ist zugleich sein frühestes und spätestes Werk für diese Besetzung, denn es liegt in zwei völlig verschiedenen Fassun- gen aus den Jahren 1854 und 1889 vor. Die Art und Weise, in der der 53-jährige Brahms sein eigenes Frühwerk durch radikale Eingriffe verändert, gehört zu den wenigen Fäl- len schrankenlos offener Selbstkritik eines grossen Künstlers. In späteren Jahren wur- de Brahms seiner «geschwätzigen» Frühwerke rasch überdrüssig, konnte sich jedoch nur im Falle des vorliegenden Klaviertrios Op. 8 zu einer Revision entschliessen. Die Erfahrung von 35 Jahren zwischen 1854 und 1889 schlägt sich in zahllosen Details der Spätfassung nieder. Sie zeugen von Straffung der Form, Verdichtung der thematischen Arbeit und Ausräumung der «unnützer» Schwierigkeiten.
2024
Konzert 2
Joseph Haydn
(1732–1809)
Klaviertrio Nr. 39 G-Dur
Hob. XV/25 «Zigeunertrio»
Johannes Brahms
(1833–1897)
Klaviertrio Nr. 1 H-Dur Op. 8
(Spätfassung 1889)